Auszug aus dem aktuellen Kampf der Künste-Podcast
Paulina Behrend, Hinnerk Köhn und David Friedrich stehen alle regelmäßig bei Slam-Veranstaltungen auf der Bühne und verfolgen daneben diverse weitere Projekte. Seien es Autor*innenprojekte, Stand-Up, Musik, oder das Schreiben von Büchern. Außerdem stehen alle drei regelmäßig als Hosts von Kampf der Künste-Events vor Publikum. Im Gespräch mit Kolja Fach erzählen die drei von Ihrer Sicht auf die Rolle der Moderation.
KOLJA Schön, dass ihr alle das seid. Das ist eine etwas spezielle Situation, dass ich als Host drei andere Hosts hosten kann. Ihr seid nämlich neben euren Auftritten alle drei regelmäßig auf Bühnen unterwegs und moderiert selbst Veranstaltungen – auch Poetry- und Comedyslams für Kampf der Künste. Was würdet ihr sagen, ist der größte Unterschied zwischen selbst performen und moderieren?
PAULINA Ich finde, Moderation ist tatsächlich fast mehr Performance als fünf Minuten auf der Bühne stehen. Du bist halt zwei Stunden auf der Bühne und musst irgendwie die Stimmung hochhalten und ein Gefühl für den Raum haben... Also es ist vielleicht keine Performance im theatralischen Sinne, aber du musst halt performen im Sinne von “abliefern”.
HINNERK Ich finde das Besondere ist der Punkt: Wenn du als Moderation aber auf der Bühne bist, dann musst du eigentlich schon dafür sorgen, dass die Stimmung durchgehend hochgehalten wird.
DAVID Ja und ich möchte nur noch ergänzend sagen: Moderation ist für mich halt mein Beruf und das ist für mich viel einfacher und viel simpler als irgendeinen Auftritt zu haben. Und wenn ich eine Veranstaltung moderiere, dann versuche ich eher nicht so zu überperformen, weil es geht ja darum, dass die Künstlerinnen und Künstler im Mittelpunkt stehen und dass man den eine sehr gute Bühne bereitet.
KOLJA Also: Ihr leistet einen Beitrag zur Dramaturgie des Abends, heizt das Publikum an, haltet die Energie oben, ... In welche Rolle seht ihr euch dabei zwischen Auftretenden, der Veranstaltung und den Menschen im Publikum?
PAULINA Also ich würde glaube wir sind uns einig, dass man eben alle Leute da abholen will, wo sie sind, und auf ein Level bringt an Stimmung und Informiertheit über die Veranstaltung. Vielleicht waren Leute erst ein oder zwei Mal auf einem Slam und kennen, wie das abläuft, aber was damit bezweckt wird oder was vielleicht auch das Schöne ist oder das Besondere und was auch das Künstlerische daran ist, haben einige noch gar nicht richtig verstanden.
HINNERK Das ist aber eigentlich gerade das Schöne, das macht ja gerade am meisten Spaß, Leuten nochmal irgendwie mitzugeben: “Guck mal, wie geil das hier ist, was wir hier gerade auf die Beine stellen.”
KOLJA David hat eben vom Performen und Überperformen gesprochen. Wenn man das jetzt auf die auftretenden Künstlerinnen und Künstler bezieht: Wie seht ihr da eure Verantwortung, dass man sich vielleicht ein Stück zurücknimmt?
DAVID Also ich glaube, das ist ganz wichtig, was du da gerade ansprichst, weil wenn etwas schlecht laufen kann von Moderationsseite aus, dann ist es genau das. Die auftretenden Künstler*innen darf man nicht vergessen. Und das Publikum sieht ja auch die ganze Zeit deren Performances. Dann ist es vielleicht auch mal gar nicht schlecht dazwischen einfach mal durchzuatmen. Das ist sonst vollkommen überladen und es geht eben nicht um mein Geltungsbedürfnis, auch wenn ich mich davon nicht immer frei machen kann. Aber dass man auf der Moderations-Couch mal lacht über einen Text, oder dass man jemandem ansieht, dass die Person den Text schon kennt – das kann ich natürlich verstehen. Ich glaube, das ist nur authentisch und menschlich.
HINNERK Ich glaube aber auch tatsächlich, das ist auch nochmal unterschiedlich von Format zu Format. Ich mach ja hauptsächlich bei Kampf der Künste den Stand-Up Slam, wo es ja in erster Linie auch darum geht, dass es eine Comedy Veranstaltung ist und dass die Leute lachen wollen. Ich finde grade aber auch ganz spannend, dass wir alle in gewissen Punkten komplett unterschiedlich sind, was die Moderation angeht. Was David eben gesagt hat mit dem Geltungsbedürfnis... Bei mir: Fuck ja! Auf jeden Fall! Ich habe richtig Bock auch ein bisschen im Mittelpunkt zu stehen, aber ich versuche das dann immer so aufzubauen, dass das Publikum möglichst denkt: „OK, der ist ein Kasper, aber er ist irgendwie ganz sympathisch!“, oder „Ich mag den nicht, weil der ist einfach zu doll!“ Das finde ich eigentlich auch ganz geil.
DAVID Ich finde das ist auch legitim, wenn man irgendwann das Gesicht der Veranstaltung wird. Wenn man sich hier das Schanzenviertel anguckt – da hängen grade überall Kampf der Künste-Plakate mit Hinnerks Fresse drauf. Das ist in Hamburg auch was Besonderes. Die Leute kommen nicht nur wegen des Slams, sondern wegen dem Gesamtprodukt und das hat hier Tradition seit vielen, vielen Jahren.
KOLJA Stichwort Publikum: Ihr habt viel über das Aufwärmen oder Abholen und irgendwo hinbringen der Leute geredet. Was macht für euch leichtes und schwieriges Publikum aus und wie kriegt man letzteres Publikum leichtmoderiert?
HINNERK Ich würde tatsächlich sagen, ein gutes Publikum geht in die Veranstaltung und hat erstmal tendenziell mega Bock auf den Abend. Ein schwieriges Publikum hat sich Karten gekauft und denkt sich: „Ja gucken wir uns mal an, ob uns das gefällt. Wir sind erstmal skeptisch.“
KOLJA Also schwieriges Publikum, will überzeugt werden?
HINNERK Ja, das macht aber Spaß, weil man denkt: „Okay, ich erarbeite mir euren Bock jetzt!“
KOLJA Aber wie?
Hinnerk: Durch Publikums-Interaktion, durch Quatsch, den ich auf der Bühne mache...
DAVID Ich glaube man kann die Frage nach leichtem Publikum sehr einfach beantworten: Leicht angetrunken, aber nicht mehr.
HINNERK Sehr guter Punkt!
DAVID Damit meine ich aber nicht nur Alkohol, sondern auch einfach so an guter Stimmung. Nicht zu sehr, sonst artet es wieder in so Zwischenrufen aus, dann muss man die beruhigen. Aber wenn die Leute unter der Woche kommen, vorher gearbeitet haben, danach Freunde treffen, vielleicht bei einem Glas Wein und dann in die Veranstaltung gehen und richtig Bock haben – Das ist eigentlich optimal.
KOLJA Gilt das dann nur für Comedy-Events, oder auch für ernsthafte Performances?
PAULINA Das angeschwipst-Sein mit Emotionen oder sonstigem gut ist, gilt nicht nur Comedy-Veranstaltungen. Weil das immer ganz wache Menschen sind, die mit der Stimmung mitgehen. Die haben ein Gespür dafür, wann es angebracht ist, leise zu sein und wann mehr Stimmung passt. Und um jetzt den Kreis wieder zu schließen im Hinblick auf David und das, was er vorhin gesagt hatte über das Kommunizieren und Interagieren: Das ist glaube ich die erste Einladung, die man seinem Publikum geben kann. Erstmal klarzumachen, dass sie ein Stück weit Teil der Show sein dürfen beim Slam. Es ist nicht das klassische Theater, wo der Vorhang aufgeht, da passiert was und man hört 2 Stunden still zu, sondern die Leute sind ein aktiver Teil!
DAVID Ja, es gibt auch nichts Geileres als auf die Bühne zu gehen und zu gucken, wer mitgeschleppt wurde. Die sitzen dann da immer so mit verschränkten Armen. Und wenn dieser Mensch dann angesprochen wird, dann kann es natürlich unangenehm für ihn sein, aber wenn man das respektvoll macht, hat das einen riesigen Mehrwert, weil man dann immer wieder zwischendurch checken kann, wie es der Person gefällt, und dann fragt man am Ende: „Na kommst du nochmal wieder?" und hört, dass die Person wiederkommen will...
KOLJA FACH (*1998) steht nicht nur als Slammer
und Satiriker auf den Bühnen des Landes -
als Journalist bewegt er sich immer zwischen
Hochkultur, Underground, Politik und dem sozialen Leben.
So arbeitet er unter anderem neben seinen Auftritten
als Redakteur für Bremen Next und Bremen Zwei.
Das war der seriösere Teil...
Ob Paulina manchmal zu frech zum Publikum ist, wann David das letzte Mal ohne Hose moderiert hat, welche Live-Situationen für die drei bisher am peinlichsten waren und ob man eine Kunstfigur sein muss, um sich auf der Bühne grob daneben benehmen zu dürfen, könnt ihr im Kampf der Künste-Podcast hören.
Erschienen in Programmheft 18.2 2022