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Featured Poet: Julian Heun

„Manchmal will man nicht die erste Idee nehmen, sondern die fünfundachtzigste.“  


 Autor, Radiomoderator, Veranstalter und nicht zuletzt – ein Urgestein der Slam-Szene: Julian Heun und sein Schaffen lassen sich schwer in eine Einzelkategorie sortieren. Klar ist aber: Am Ende geht es immer ums Wort. Und am Anfang auch…  

Anfang 2024 wurde Heun für sein Schaffen mit dem Jurypreis des Kampf der Künste-Awards ausgezeichnet. Kolja Fach hat den Berliner Künstler zum Interview getroffen. Remote, während Julians Schreib-Urlaub in Spanien.  

  

Kolja: Ich glaube, du bist einer der Menschen in Deutschland, die am frühsten mit PoetrySlam angefangen haben und nach wie vor aktiv sind. Angefangen hat alles 2007, mit 18 Jahren – richtig? 

Julian: Genau. Ich habe 2007 einen Artikel im Tagesspiegel gefunden, da ging es um einen Poetry Slam in Berlin. Ich hatte keine Ahnung, was das war, aber es klang sehr verwegen. Und dann bin ich hin und habe mir das angeguckt. Es waren unglaublich viele Teilnehmende im Vergleich zu heute – ich glaube 15. Auf jeden Fall fuhr die S-Bahn nicht mehr, als der Abend zu Ende war. lacht  

Am nächsten Tag war ich völlig übermüdet in der Schule, aber ich wusste: Das ist geil, das will ich auch machen!  

  

Kolja: Und dann hast du mit 18 Jahren angefangen und bist noch im selben Jahr U20 Meister im deutschsprachigen Raum geworden?  

Julian: Genau.  

  

Kolja: Konntest du damals irgendwie absehen, dass das so sehr dein Ding wird? Dass das dein Leben lang bleibt, dein Beruf wird…   

Julian: Also ich hatte schon große Lust, irgendwie was Literarisches zu machen, aber dass das so gut funktioniert, war mir nicht so richtig klar. Ich habe am Anfang auch das gar nicht so richtig verstanden, was es genau bedeutet mit Meisterschaften und so. Es gab zu der Zeit eine große Workshopoffensive an Schulen, weil Meisterschaften in Berlin waren. Nur an meiner Schule nicht. Also habe ich rumgefragt, ob ich irgendwo dazu kommen darf und habe dann einen Workshop bei der Legende Wehwalt Koslowski gemacht. Der war total süß und hat sich mir auch danach weiter angenommen, mich fast trainiert für die Meisterschaften. Ich musste mich im Mauerpark einfach hinstellen und fremden Leuten meine Gedichte vortragen, damit ich die Angst vor der Bühne verliere und abhärt.  

  

Kolja: Wild! Und ab wann kam die Entscheidung, dass professionell weiterzumachen nach der Schule?    

Julian: Mir war das Schreiben immer wichtiger als die Performance. Aber ich war von der Szene komplett begeistert. So viele Menschen kennenzulernen, die ein Interesse an Sprache haben und trotzdem nicht so steif sind, wie man sich das klassisch vorstellt – das war für mich der absolute Wahnsinn! Und nachdem ich Meister geworden bin habe ich mir gedacht ich schreibe einfach alle Veranstalter an zu denen ich gerne mal reisen würde und nehme alles mit, was geht.  

  

Kolja: Und dann kam das Goethe-Institut ins Spiel und hat dich auf Reisen geschickt, richtig? 

Julian: Ja, 2007 war der Preis für den ersten Platz beim U20 eine Reise nach San Francisco mit dem Goethe Institut. Völlig irre. Und da durfte ich dann im City Lights Bookstore auftreten, wo die ganzen Beatpoeten publiziert wurden und Bob Dylan immer umgegangen hatte früher. Das war für mich das Allergrößte. Das waren immer meine Helden. Und danach kamen dann weitere Anfragen von Goethe-Instituten.  

  

Kolja: Und parallel dazu hast du angefangen journalistisch zu arbeiten?   

Julian: Genau, ich habe nach dem Abi Slam-Touren gemacht, dann ein Praktikum bei der BILD – liebe Grüße lacht – und fand damals Reisejournalismus super spannend, habe auch ein paar Artikel geschrieben, aber ich habe schnell gemerkt, dass ich lieber Autor bin.  

  

Kolja: Aber bei Radio Fritz bist du bis heute geblieben oder nicht?  

Julian: Ja, ich bin auch nach wie vor großer Fan von öffentlich-rechtlichem Rundfunk. Und bei Fritz habe ich schon lange Herrn Mangold, das ist so eine Comedy-Reihe, die sich da durch den Tag zieht und ich habe meine Radiosendung „Heunchens Eckkneipe“. Beide Formate liebe ich total, weil ich von Fritz absolute Freiheit bekomme. In meiner Sendung darf alles passieren, es ist alles sehr wenig durchformatiert, das ist alles anders als im Tagesgeschäft vom Radio. Das ist einfach mein krasser Spielplatz, wo viel Irrelevantes, aber auch sehr viel Schönes passieren kann.  

  

Kolja: Du hast damals deinen ersten Roman veröffentlicht, jetzt bist du grade im Schreiburlaub – heißt das, da kommt wieder was?  

Julian: Den Roman habe ich 2009 angefangen, aber es hat Jahre gedauert, bis er veröffentlicht wurde. Damals wollte ich einfach gerne ein junger Autor sein und heute könnte ich glaube ich keine Seite davon lesen – das würde ich nicht aushalten. Aber ich hatte dann irgendwann wieder Lust was Langformatiges zu schreiben. An dem Roman jetzt, habe ich ein Jahr ungefähr immer wieder gearbeitet. Dann hatte ich ein großes Problem weiterzukommen, hatte das Skript zwei Jahre in der Schublade liegen und jetzt hoffe ich das Problem gelöst zu haben. 

  

Kolja: Nach zwei Jahren?   

Julian: Ja, das ist alles ein einziges Lernen. Ich weiß nicht einfach so, wie man einen guten Roman schreibt. Das kann man sich nur selbst beibringen, auch wenn es Sachbücher übers Schreiben gibt: Am Ende ist man immer bei sich und sucht seinen eigenen Stil.  

  

Kolja: Hast du denn inzwischen sowas wie eine Deadline für das Buch?   

Julian: Nein. Bei kurzen Texten kann Zeitdruck ein Antreiber sein Aber nicht bei einem langen Text. Ich will nichts übers Knie brechen, dass durch längeres Nachdenken schöner hätte, werden können. Du gehst immer in eine Richtung mit dem Text und manchmal in die Falsche, dann musst du wieder zurück und wieder losgehen. Und manchmal willst du die erste Idee nicht nehmen, sondern die zweite – oder die fünfundachtzigste. 

  

Kolja: Kurzes Zwischenfazit: Radiomoderator, Romanautor, Slampoet – über deine Lesebühne „Spree vom Weizen“ und die Veranstaltungen, die du selbst organisierst, haben wir noch gar nicht gesprochen… machst du einfach gerne sehr viel?  

Julian: Ja und ich wüsste selbst auch gerne, wie man das richtig gut strukturiert. Manchmal beugt man sich einfach dem, was einem angeboten wird, weil das für mich auch ein unglaublicher Reichtum ist, so viel Verschiedenes machen zu dürfen. Das kriegt man manchmal mehr oder weniger fokussiert, aber ich glaube ich habe den besten und buntesten Alltag und das wird nie langweilig. Mit dem Alter habe ich versucht etwas ruhiger zu werden, ein bisschen gelingt das, aber nicht viel. Das mag auch an meinem späten ADHS-Diagnose liegen – die ich glaube ich mit diversen Slam-Menschen teile – aber es bleibt auf jeden Fall immer interessant und spannend bei mir. In manchen Phasen habe ich genau die richtige Aufteilung – so wie grade: Schreiburlaub in Spanien. Aber es gibt auch Phasen, wo ich mich frage, was ich mir da grade zusammengebucht habe.  

  

Kolja: Kannst du neben dem Roman schon ein nächstes Projekt benennen, das sich anbahnt? 

Julian: Ich arbeite grade an etwas im Bereich von Sprache in Kombination mit bildender Kunst. Das soll im besten Fall nächstes Jahr in Berlin erlebbar sein. Aber ich kann nicht viel mehr darüber sprechen grade.  

  

Kolja: Oha, wie spannend! Das ist dann jetzt vielleicht eine harte Frage zum Abschluss, aber was ist bei alledem dein Anspruch an dich selbst?   

Julian: Ich glaube ich möchte Kunst und Unterhaltung immer miteinander verbinden und etwas anbieten, das leichtfüßig und manchmal albern ist, aber gleichzeitig tief, bewegend und sprachlich schön gestaltet.  

  

Kolja: Ein tolles Schlusswort! Ich danke Dir!  

Julian: Danke Dir für die Fragen!  

 


KOLJA FACH (*1998) steht nicht nur als Slammer

und Satiriker auf den Bühnen des Landes -

als Journalist bewegt er sich immer zwischen

Hochkultur, Underground, Politik und dem sozialen Leben.

So arbeitet er für den SPIEGEL in Hamburg, als Redakteur

für Bremen Next und Bremen Zwei.

 

Erschienen in Programmheft 03/2024

Copyright: Daniel Dittus


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