top of page

Featured Poet: Quichotte

Hamburg macht jedes Mal Bock!

ree


Seit mehr als einem Jahrzehnt gehört Quichotte zum Who is Who der deutschen Slam-Szene. Dazu tourt er mit Soloprogrammen, tritt regelmäßig in Fernsehshows auf, macht Musik und schreibt Bücher. Seine Dialoge vom „Lieblingsbäcker“ gehen regelmäßig viral auf TikTok und Instagram. Einige Tage nach einem Auftritt in Hamburg, hat er sich zu einem Frühstücks-Telefonat mit Kolja Fach getroffen.


Kolja: Du bist Comedian, Slampoet, Autor und Rapper – nur um die wichtigsten Rollen aufzuzählen – was war zuerst da?

Quichotte: Ich habe schon mit 13 oder 14 Jahren angefangen irgendwie Reime zu mögen. Von daher habe ich auf jeden Fall mit Reimerei angefangen, aber zuerst musikalisch. Ich war zehn Jahre lang Teil einer Band – das war mein erstes Bühnen-Ding.

 

Kolja: Und der Weg in den Poetryslam kam dann wie?

QuichotteEs war eine Gleichzeitigkeit. Ich habe ganz lange gar nicht gewusst, dass es Poetry Slam gibt, aber habe dann angefangen nach Bühnen zu suchen, um Texte zu zeigen, die ich nicht in Songs verpacken konnte und weil ich Lust auf Gedichte hatte. 

Und dann bin ich in Köln auf einen kleinen Slam im Sonic Ballroom gestoßen. Ich war sofort angefixt! An dem Abend habe ich Till Reiners kennengelernt – der natürlich gewonnen hat.

Der Abend war super schön, ich wusste nur gar nicht wie Poetry Slam funktioniert und dass man vielleicht mehr als einen Text braucht. Ich bin nämlich irgendwie weitergekommen und musste dann einen Text freestylen im Finale. Und seit dem habe ich Slam und Musik gleichzeitig betrieben.

 

Kolja: Beim ersten Auftritt Freestylen klingt unfassbar brutal.

Quichotte: Ja, das war wahrscheinlich auch nur so mittelgut! lacht Aber es ging schon in dem kleinen Raum. Ich freestyle nur lieber mit Beat normalerweise.

 

Kolja: Der spontane Freestyle im Sonic Ballroom ist jetzt über 15 Jahre her, nach wie vor trittst du auf Poetry Slams sauf, während andere zu Gunsten ihrer Solo-Karrieren der Szene den Rücken gekehrt haben. Warum wolltest du dir das Format erhalten?

Quichotte:  Weil ich das Format unfassbar gut finde. Also wo sonst bekomme ich die Möglichkeit wirklich jede Art von Text auf die Bühne zu bringen, die ich will? Und das dann in einem Wettbewerb, der ja auch wirklich freundschaftlich ist. Battlerap war da immer deutlich aggressiver.

Und nach 15 Jahren finde ich es – auch wenn ich jetzt wie so ein Opa klinge – auch total spannend zu sehen, was die jungen Leute auf die Bühne bringen. Slam ist auf jeden Fall ernster geworden. Die Menschen sprechen auf der Bühne mehr über Befindlichkeiten – nicht negativ gemeint – und das nimmt mich in eine Lebenswelt mit, der ich sonst entwachsen wäre. Das finde ich super wertvoll wie repräsentiert auch Menschen unter 20 Jahren schon sind.

 

Kolja: Auch auf Hamburger Bühnen kann man dich regelmäßig sehen, du hast einige Kampf der Künste-Hanteln mit nach Köln nehmen können. Was bedeuten dir KdK und die Stadt?

Quichotte: Hamburg ist neben Köln meine absolute Lieblingsstadt. Und in Hamburg sind – mit großem Abstand – die best-organisiertesten Poetry Slams, die es gibt. Alleine die Locations! Sowas wie die Elbphilharmonie ist unfassbar. Das Schauspielhaus ist meine liebste Auftrittslocation überhaupt, das Ernst Deutsch-Theater ist irre, das Thalia auch… ich könnte jetzt ewig so weiter machen. Aber vor allem die LineUps sind in Hamburg halt immer fantastisch. Viele Newcomer, eine große lokale Szene und dazwischen laufen dann die besten Slammer des Landes rum und die Säle sind immer ausverkauft. Das macht alles jedes Mal so Bock!

 

Kolja: Du hast vorhin gesagt, Slam ist ernster geworden. Bist du selbst das auch? Du schreibst viel Comedy, vor ein paar Wochen hast du mit „POV“ aber einen sehr politischen Rap-Song veröffentlicht. Findest du es schwierig dich zu positionieren zwischen dem Wunsch ein Unterhalter zu sein, der vom Weltgeschehen ablenkt und dem Wunsch Haltung zu zeigen?

Quichotte: Nein, überhaupt nicht. Ich habe das eher für überfällig gehalten. Ich habe mich auch vorher schon in Instagram-Stories positioniert und auch meine wiederkehrende Figur, der Lieblingsbäcker, hat eine klare Haltung. Ich habe gemerkt, dass grade der Lieblingsbäcker aber auch viele neue Leute auf mein Insta-Profil führt, weil die Videos oft gut geklickt werden. Und dann sieht man da die Profilbilder, in denen die wehenden Deutschlandflaggen und sehr offensichtlich rechte Symbole zu sehen sind und wundert man sich, dass der eigene Content auch solche Menschen anziehen kann. Daraus ist bei mir das Bedürfnis entstanden zu zeigen, wofür ich stehe, wofür meine Inhalte stehen sollen und dass ich Menschen in den Kommentaren auch nicht den Raum gebe für ihre Hetze. Und nach dem „POV“-Video sind mir auch viele entfolgt. Ich werde die meisten auch nicht dazu motivieren zu können, sich mit ihren eigenen Gedanken kritisch auseinanderzusetzen, aber zumindest kann ich sie aus meinem Bereich raushalten. 

 

Kolja: Und das würde der Lieblingsbäcker auch so wollen! Über die Figur müssen wir natürlich noch reden. Du hast irgendwann angefangen Dialoge zwischen einem ziemlich schlagfertigen und verrückten Bäcker und seiner irritierten Kundschaft zu schreiben und gehst damit regelmäßig viral. Warum ausgerechnet ein Bäcker?

Quichotte:  Naja, den Typen gibt es tatsächlich. Also der Bäcker existiert! Ich schreibe die Dialoge aber selbst und schreibe sie so, wie ich meine, dass es zu einer zugespitzten und überhöhten Version seiner Selbst passen würde.

Ich habe den aus Zufall kennengelernt, weil ich in Köln Deutz mal aussteigen musste, die Bahn nicht weiter gefahren ist und dann musste ich zu Fuß auf die linke Rheinseite. Dann dache ich, ich hole mir noch ein Brötchen und war auf einmal in diesem Laden wo der Verkäufer wirklich jedem Menschen, der reingekommen ist, einen Spruch gedrückt hat. Und nichts davon war 08/15 sondern immer perfekt auf die Situation zugeschnitten und improvisiert. Er verarscht die Leute schon ziemlich, aber auf eine super sympathische und interessant Art. Und im Herzen ist er letztendlich der totale Sozialist und hetzt ohne Ende gegen Bäckerei-Ketten, wenn man mit ihm redet.

Ich habe mir damals gedacht, dass er die perfekte Vorlage für eine Dialog-Reihe wäre.

 

Kolja: Weiß er, dass er berühmt ist?

Quichotte: Klar habe ich ihm gesagt, dass er ein Charakter in meinen Texten ist und ich habe ihm beide Bücher geschenkt. Seine Reaktion war total schön, aber er meinte vor allem das wäre alles schön und gut, aber ich solle niemandem verraten wo sein Laden genau ist, weil er nicht will, dass die Leute absichtlich kommen, nur um blöde Sprüche zu hören. Und tatsächlich fragen mich sehr viele Leute nach ihm und ich sage nie mehr als, dass er irgendwo in Deutz ist.

 

Kolja: Die Bäcker-Dialoge sind auch Teil von deinem Soloprogramm, zusammen mit Standup-Comedy, Texten und Musik. Du hast das Programm „Alles echt!“ genannt. Warum war dir das wichtig die Echtheit zu betonen?

Quichotte:  Das hat mehrere Gründe. Zum einen ist mein Anspruch an mich, dass Leute merken, dass ich echt bin auf der Bühne, dass nichts gekünstelt ist oder gespielt. Auf der anderen Seite finde ich, dass man innerhalb der Gesellschaft oft die Sicherheit sucht, nicht betrogen zu werden, KI wäre da ein Beispiel. Und ich finde Humor entsteht am besten, wenn man zwischenmenschlich authentisch und offen ist. Das ist so die Bandbreite, auf der dieser Titel steht.

 

Kolja: Zwischen dem Bücherschreiben, der Musik, Poetry Slams, Comedy und Co – wie findest du Zeit für „echte private“ Dinge?

Quichotte: Also den größten Raum außerhalb der Arbeit nimmt meine Familie ein. Ich habe ja auch zwei Kinder, die noch relativ klein sind und die zusammen mit meiner Frau die oberste Priorität haben. Und ansonsten ist das Schöne an den Dingen, die ich mache, dass sie teilweise den Hobby-Charakter nicht verloren haben. Comedy ist meine Hauptarbeit, aber die Musik verkaufe ich den Leuten eher so dazu – die ist Hobby geblieben und die mache ich in meiner freien Zeit einfach für mich, ohne Arbeit im Kopf.

Aber ich finde ich frage supergut, weil man neigt immer dazu zu viel zu machen, wenn man selbstständig ist. Ich kenne glaube ich keinen Freiberufler, der seine Zeit gut im Griff hat, inklusive mir. Deswegen ist das Thema immer super relevant in meinem Leben und ich werde mein Leben lang daran arbeiten, wie ich mit Pausen und Freizeit umgehe.

 

Kolja: Dann entlasse ich dich direkt wieder in die Freizeit! Danke, dass wir uns so früh am Morgen schon treffen konnten!

Quichotte:  Vielen Dank für das Interview und vor allem die Fragen! Ich bin froh, dass ich nicht zum 19. Mal erklären musste, woher mein Name kommt…



ree

KOLJA FACH (*1998) steht nicht nur als Slammer

und Satiriker auf den Bühnen des Landes -

als Journalist bewegt er sich immer zwischen

Hochkultur, Underground, Politik und dem sozialen Leben.

So arbeitet er unter anderem neben seinen Auftritten als Redakteur.

Erschienen in Programmheft 02/2025

Copyright: Marvin Ruppert

 
 

Bevorstehende Veranstaltungen

bottom of page