„Ich bin eher die Performance-Maschine.“
Teresa Reichl ist mehrfach ausgezeichnete Slam Poetin, Kabarettistin und produziert Content von Lifestyle-Themen bis zu Videos über germanistische Literaturwissenschaften im Internet. ((Wir haben/Kolja Fach hat für uns))…. die Wahl-Regensburgerin einen Sommernachmittag via Videoschalte Zuhause an ihrem Küchentisch getroffen.
„Ich sage einfach immer sehr gerne ja zu Sachen“, lacht Teresa Reichl, wenn man sie auf die lange Liste ihrer Jobs und Projekte anspricht. Die 26-Jährige aus Niederbayern ist Kabarettistin, solo und Team-Slampoetin, hat Englisch und Deutsch auf Lehramt studiert, gibt Workshops für Lehrkräfte und ist im Laufe der Corona-Pandemie als Influencerin erfolgreich geworden, teilweise für Unternehmen und Produkte, aber vor allem die Inhalte, die ihr wichtig sind.
„Als die Pandemie da war, habe ich richtig angefangen mit dem Internet-Shizzle. Der erste Lockdown war für mich voll entspannt, weil ich auch mein Studium beenden wollte, I was living the live – aber ich wusste gleichzeitig, dass ich mich im Herbst 2021 selbstständig machen möchte und konnte das auf der Bühne nicht vorbereiten“, erklärt sie ihren damaligen Entschluss ihre Arbeit mehr auf Soziale Medien zu konzentrieren. „Im Lockdown habe ich mehr Mut gehabt, weil alle was ins Internet geballert haben, da war es irgendwie weniger peinlich. Aber ich hatte schon Sorge, dass Leute das vielleicht bewerten, dass ich jetzt auch YouTube und so mache.“ Mit YouTube fing alles an. Teresa startet eine Serie namens „Drunk Classics“, in der sie sich mit Weinschorlen antrinkt und dann enthemmt und kritisch über klassische literarische Werke spricht. Die Highlights der YouTube Videos landen bei TikTok und plötzlich hat eine Zusammenfassung von Goethes Faust über eine halbe Millionen Aufrufe. Es hagelt Kommentare, vor allem von Schüler*innen, die sich mehr Zusammenfassungen und Erklärungen wünschen. „Und dann habe ich drei Monate lang wirklich täglich einen Klassiker zusammengefasst und jetzt bin ich auf TikTok die Deutschtante und das ist ziemlich cool.“ Neben den Bildungsinhalten wächst auch das Interesse an Teresa immer weiter und auch ihre Bereitschaft sich persönlicher mitzuteilen. „Ich habe am Anfang von meiner Slam-Zeit immer erzählt, dass ich nicht will, dass jemand was von mir weiß, jetzt bin ich genau das Gegenteil. Ich habe keinen Bock mehr mich für Sachen zu schämen und nicht drüber zu reden, es ist unmöglich, dass man der einzige Mensch mit irgendeinem Struggle ist. Du musst es einmal aussprechen und dann findest du Leute, denen es genauso geht. Und die, die dich dafür auslachen sind die falschen Menschen für dich.“ Und mit genau dieser Motivation spricht Teresa bei Instagram über Queerness und Feminismus, Dating und Körperbilder, veröffentlicht den monatlichen „Periodentalk“ mir diversen Gäst*innen und produziert Videos für Kooperationspartner*innen.
„Im Internet Geld zu verdienen hat mir während der Pandemie geholfen und gibt mir jetzt die Freiheit auch mal Live-Termine nicht zuzusagen, wenn mein Leben sonst zu stressig wird, weil es nicht nur ums Geld geht.“ Auf die Frage, ob Geldverdienen mit Werbevideos für Unternehmen und die kritische Distanz einer Kabarettistin und Künstlerin sich bei ihr beißen könnten, schüttelt Teresa den Kopf. „Grundsätzlich klar, aber ich möchte nie, dass Leute meine Videos sehen und denken ah, da hat sie wohl Geld gebraucht. Ich nehme nur Kooperationen an, wenn ich die Produkte selbst schon benutze oder benutzen würde. Alle Firmen müssen nachhaltig und innovativ sein und alle Produkte vegan und tierversuchsfrei. Ich möchte aber insgesamt irgendwann auch nicht mehr auf Geld aus dem Internet angewiesen sein, sondern mindestens 80% meiner Arbeitszeit mit Bühnen-Stuff verbringen.“
Auf der Bühne hat für Teresa alles angefangen, was ihr jetziges (Arbeits-)Leben ausmacht. „Ich komme aus einem Dorf in Niederbayern. Da haben die Leute oft so Klischees im Kopf. Kirche, Saufen, konservatives Denken… Und – das stimmt“, Teresa lacht. „Wir haben uns jeden Freitag mit der Katholischen Landjugend getroffen und pro Kopf eine Flasche Vodka gesoffen. Ich habe erst durch die Poetry Slam-Szene gemerkt, dass das nicht normal ist.“
Mit dem Beginn ihres Studiums 2015 beginnen ihre Auftritte bei Poetry Slams. Ein Jahr später wird sie U20 Meisterin von Bayern und Finalistin der deutschsprachigen internationalen U20 Meister*innenschaften. Von da an werden die Auftritte immer größer, vom Schauspielhaus in Graz über das Deichbrand-Festival bis zur Elbphilharmonie in Hamburg und Teresas Inhalte schnell immer vielfältiger und kabarettistischer. 2018 tut sie sich mit der Autorin und Comedienne Lara Ermer zusammen zum Slam-Team „Es kann nur beide geben“. Den Namen wählen sie, weil sie als Künstlerinnen aus derselben Region oft von anderen gegeneinander ausgespielt wurden. „Mir wurde über Lara immer gesagt, dass ich an sie eh nie rankäme und ihr, dass ich sie irgendwie verdrängen wollen würde. Wir haben zwei Jahre gebraucht, um zu merken, dass das sexistische Scheiße ist und wir uns total mögen.“ Und beide harmonieren perfekt – auch auf der Bühne. „Wir suchen uns ein Thema aus, schreiben kurz getrennt und legen dann zusammen. Lara hat textlich unglaubliche detail-fokussierte Skills und ich bin eher die Performance-Maschine.“ Im Team-Finale der deutschsprachigen Slammeister*innenschaften 2021 lesen die beiden einen Text, den sie am Vortag spontan geschrieben haben – das Feedback ist überragend.
Außerhalb der Slam-Szene und der Teamarbeit, tourt Teresa mit ihrem Soloprogramm als Kabarettistin. Die Premiere fand bereits 2020 statt, danach ging es direkt in den Lockdown. „Mittlerweile trete ich ungefähr einmal im Monat solo auf. Das macht richtig viel Spaß, ich lerne das Programm endlich richtig auswendig und es ist halt einfach das Beste, was ich bisher geschrieben habe.“ Und so ergeben sich plötzlich Synergien aus allen Arbeitsbereichen. „Was ich nie gedacht hätte ist, dass bei den meisten Shows tatsächlich viele Leute kommen, die mich aus dem Internet kennen. Das klassische Kabarettpublikum ist oft männlich, weiß und ü50. Zusätzlich bringe ich jetzt mein eigenes Publikum mit und das ist meistens jung, weiblich, divers und queer und das ist unglaublich cool.“
Bestehende Konzepte und Ideen neu besetzen und gestalten ist das Grundmuster in Teresas Arbeit – egal ob es das Influencen gehaltvoller Dinge ist, die Diversifizierung von Kabarettveranstaltungen, Auftreten mit bayerischem Dialekt, damit „man den nicht nur so mit reaktionärem Stammtisch verbindet“, oder weitere zukünftige Pläne.
„Ich würde gerne meinen YouTube Kanal mehr mit Inhalten bespielen, irgendwann mal ein erstes Buch veröffentlichen und mich in Zukunft mehr in die Bildungsarbeit einmischen, aber halt auf humorvolle Weise. Der Literaturkanon an Schulen ist zum Beispiel null divers, obwohl er das sein könnte. Es ist doch absolut logisch und wichtig, dass Bücher über Feminismus, Queerness, oder Antisemitismus eben von Leuten kommen, die weiblich, queer oder eben jüdisch sind.“
Pläne gibt es also genug. Und wer hört, wie planvoll, reflektiert und klug Teresa ihre diversen Projekte bisher angepackt hat, muss sofort glauben, dass auch diese Pläne aufgehen werden. Denn trotz aller Vorhaben und der Menge an Ideen, wirkt Teresa das ganze Gespräch über sehr angekommen. „Die kleine Teresa mit 15 Jahren oder so hatte von Themen wie Feminismus noch nie gehört, wollte aber immer irgendwie berühmt werden. Mittlerweile habe ich mit 26 alles, bzw. inhaltlich mehr, geschafft, was ich damals so erträumt habe und es kommen nur immer weitere Kirschen auf die Kirschen auf der Sahnetorte dazu. Das klingt kitschig, aber ich freue mich jeden Tag, dass das mein Beruf ist, Witze auf der Bühne und im Internet zu machen. Ich verstehe schon, dass ich mir das auch erarbeitet habe, aber es ist einfach ein sehr guter Job für mich.“
KOLJA FACH (*1998) steht nicht nur als Slammer
und Satiriker auf den Bühnen des Landes -
als Journalist bewegt er sich immer zwischen
Hochkultur, Underground, Politik und dem sozialen Leben.
So arbeitet er unter anderem neben seinen Auftritten
als Redakteur für Bremen Next und Bremen Zwei.
2023 veröffentlichte sie ihr erstes Buch: Muss ich das gelesen haben? Was in unseren Bücherregalen und auf Literaturlisten steht – und wie wir das jetzt ändern. Im Internetz ist sie unter ihrem Namen auf Tiktok, Instagram und Youtube zu finden.
Erschienen in Programmheft 18.1 2022
댓글