"Bei Standup sollen die Leute lachen und das kannst du nur live herausfinden. Heißt aber auch: Man scheitert dann auf der Bühne und muss lernen damit umzugehen.“
Immer wieder landen Menschen aus der deutschsprachigen Poetry Slam-Szene auf Comedy Bühnen, teils mit durchschlagendem Erfolg. Anna Bartling ist seit vielen Jahren Teil der Hamburger Slam-Szene, vor etwa einem Jahr kamen Standup-Auftritte dazu. Im Gespräch mit Kolja Fach erzählt sie, wie sie den Einstieg in die Comedy-Welt erlebt hat, wie sich die Szenen voneinander unterscheiden und warum sie beide nicht mehr missen möchte.
KOLJA Anna, du warst lange Zeit nur auf Slam-Bühnen unterwegs – war Standup Comedy dabei immer ein Ziel, auf das du dich auch zu entwickeln wolltest?
ANNA Nein, das hat sich viel später erst aufgetan. Als ich angefangen habe zu slammen, da war ich 15, da hatte ich noch gar nicht so wahrgenommen, dass Comedy etwas ist, was man einfach machen kann. Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht warum, weil mir Stand Up zum Angucken immer schon gefallen hat. Aber erst, als ich mitbekommen habe, wie andere Slammer*innen mit Standup anfangen, habe ich gedacht – warum mache ich das nicht auch? Und dann habe ich noch ein halbes Jahr gebraucht, bis ich mich getraut habe und fands sofort mega cool.
KOLJA Wie hast du denn damals angefangen Material zu entwickeln? Also es gibt ja die krassen Handwerker*innen, die sehr systematisch an den Aufbau gehen und dem gegenüber stehen Leute, die zumindest dem Publikum gegenüber kein Konzept erkennen lassen, aber zum Beispiel von ihrer Persona her super lustig sind...
ANNA Ich glaube, am Anfang war es sehr untheoretisch, weil ich überhaupt keine Ahnung hatte, dass es dazu eine Theorie gibt. Ich habe erstmal alle die ich kannte gefragt, die Standup machen. Die meinten dann, ich bräuchte sieben Minuten Material. Ich hab direkt 15 Minuten geschrieben, um dann beim ersten Auftritt zu merken, dass ich alles kürzen muss. Das war nicht schnell genug für so Open Mic-Abende. Inzwischen bin ich etwas theoretischer unterwegs. Ich probiere Material auf der Bühne aus und dann nehme ich das auf. Manchmal transkribiere ich das tatsächlich Wort für Wort und kürze alles, was nicht nötig ist. Aus fünf Minuten Material werden dann drei, die wirklich witzig sind.
KOLJA Das ist generell mehr der Modus im Standup, dass man die Sachen mit oder am Publikum testet, oder?
ANNA Ja, das ist ein riesengroßer Unterschied. Da musste ich mich wirklich dran gewöhnen. Das Ausprobieren findet live und vor Publikum statt. Anders geht es gar nicht. Bei einem Slam-Text habe ich irgendwann ein Gefühl entwickelt, ob das jetzt ein stabiler Text ist. Aber bei Standup sollen die Leute eben konkret lachen und das kannst du nur live herausfinden. Heißt aber auch: Man scheitert dann auf der Bühne und muss lernen damit umzugehen.
KOLJA Inzwischen machst du Slams und Comedy parallel – Was sind für dich die Unterschiede innerhalb der Szenen?
ANNA Schon sehr unterschiedlich. Alleine dadurch, dass ein Slam ja ein Wettbewerb ist und Leute eventuell noch ein zweites Mal dran sind, sind meistens alle den ganzen Abend da. Bei so einem Standup-Abend ist das aber völlig normal seinen Auftritt zu machen und danach zum nächsten zu fahren. Ich habe eine Theorie zu dem Wettbewerb in beiden Bereichen: Der Vergleich beim Poetry Slam ist sehr explizit. Das heißt, es gibt am Ende des Abends eine Person, die gewonnen hat. Das ist bei einem Standup-Abend anders. Aber die Leute merken natürlich schon, wer besser ankommt und man vergleicht sich dann. Also seltsamerweise nehme ich mehr Wettbewerb und mehr Vergleich in den Standup Backstages wahr.
KOLJA Teilweise höre ich von Menschen es mache einen größeren Unterschied, ob man als Mann* oder Frau* mit Comedy anfängt. Wie erlebst du das?
ANNA Generell kann die Slam-Szene glaube ich mehr leisten im Awarenessbereich, weil sie so wahnsinnig vernetzt ist und alle ein Auge drauf haben im besten Fall. Und dann ist bei der Comedy halt die Sache mit dem Booking. Eine Standup-Show mit nur Frauen ist immer direkt eine „Ladies Night“ oder so. Eine Show mit nur Männern ist halt eine Show. Also ich glaube da ist schon eine Distinktion. Manchmal wird man auch sehr überbetont angekündigt, so nach dem Motto „Achtung, jetzt kommt eine Frau!“, als gäbe es da Unterschiede.
KOLJA Wie geht es jetzt künstlerisch weiter für dich? Was sind die nächsten Ziele?
ANNA Auf jeden Fall ein Soloprogramm, da arbeite ich grade dran. Und ich würde mir wünschen, dass das Programm vor allem Standup ist, dafür muss ich aber mehr Material sammeln. Auf lange Sicht würde ich gerne die Nachwuchsarbeit, die wir auch in der Slam-Szene sehen im Comedy Bereich machen.
KOLJA Anna, danke für das Gespräch!
KOLJA FACH (*1998) steht nicht nur als Slammer
und Satiriker auf den Bühnen des Landes -
als Journalist bewegt er sich immer zwischen
Hochkultur, Underground, Politik und dem sozialen Leben.
So arbeitet er unter anderem neben seinen Auftritten
als Redakteur für Bremen Next und Bremen Zwei.
Erschienen in Programmheft 18.2 2023